ChatGPT im B2B-Vertrieb: Mit Augenmaß & Hirn…

ChatGPT im B2B-Vertrieb: Mit Augenmaß & Hirn…

Ende 2022 schaltete das Unternehmen OpenAI sein KI-Programm ChatGPT für die allgemeine kostenlose Nutzung frei. Seitdem ist rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) – Programme, die die Informationsverarbeitung des Gehirns nachahmen – ein regelrechter Hype entstanden, auch im Vertrieb.

Noch werden dabei die Betrachtungen zu wenig differenziert, zum Beispiel ist B2B-Vertrieb nicht gleich B2B-Vertrieb: Verkauf von Verbrauchs-/Verschleiß-Produkten? Von Komponenten? Investitionsgütern? Systemen? Projekten? Von Industrie-Dienstleistungen…?

Von Peter Schreiber

Aus heutiger Sicht…

Wie so oft hat die Medaille zwei Seiten: Die einen, wie zum Beispiel Mitarbeiter im Marketing oder externe Werbetexter fürchten bei einer intensiveren Nutzung solcher KI-Programme wie ChatGPT, Google Bard & Co den Verlust ihres Arbeitsplatzes bzw. ihrer Beauftragungen, die anderen sind euphorisch, wie etwa der Vertrieb, der Ideen und Formulierungen für die tägliche Verkaufsarbeit von der persönlichen Lead-Generierung bis zum Geburtstagstext zur Kundenpflege sucht.

Berechtigte Überlegungen auf beiden Seiten, denn mit KI-Programmen lassen sich sehr schnell und einfach zumindest erste Text-Entwürfe wie für

  • Posts zur Lead-Generierung auf den Social Media Plattformen
  • Standard-Mails / Mailings / Werbeschreiben an Kunden
  • Blogbeiträge u.a.m.

generieren, die man dann weiterbearbeiten kann.

ChatGPT ist ein mächtiges Tool…

Zweifellos können diese KI-Programme viel schneller als der Mensch das Internet nach potenziellen Inhalten durchforsten, die bezogen auf ein bestimmtes Thema relevant sein könnten. Zum Beispiel…

  • Welche Institutionen beschäftigen sich mit Metallbearbeitung und wären gute Multiplikatoren für uns…?
  • Welche Kunden brauchen Zerspanungswerkzeuge…?
  • Welche Argumente gibt es für unseren Scheibenfräser OMNIMAX
  • …?

KI-Programme sind dabei unter quantitativen und zeitlichen Aspekten uns Menschen überlegen und ersparen viel Recherchearbeit.

Auch qualitativ können moderne KI- Programme dank ihrer Algorithmen die gefundenen Inhalte so verknüpfen, dass scheinbar sinnvoll wirkende Texte entstehen. Und dies wird ihnen umso besser gelingen, je besser sie trainiert sind.

Die so genannte generative KI wurde schon kräftig „trainiert“ und erstellt heute schon anhand der erlernten Muster neue Inhalte statt nur alte Inhalte zu sammeln und zusammenzustellen.

…ChatGPT kann nicht selbstständig denken!

Eines können die Chatprogramme jedoch (noch) nicht:
Selbstständig anfangen und ohne „Aufgabenstellung“ denken.
Sie brauchen den von uns Menschen gegebenen Impuls „Such…!“ und die von und Menschen formulierte Aufgabe, sogenannte Prompts, dazu: „Such nach…!

Die Qualität der von ihnen generierten Ergebnisse (Texte, Bilder, Zeichnungen, Videos, Musik etc.) hängt deshalb weitgehend von der Qualität der Prompts, also Befehle ab, die die User – wir Menschen –, den KI-Programmen geben.

Das heißt, die Kunst einen brauchbaren Output von den KI-Programmen geliefert zu bekommen, besteht darin, dass man als Mensch einen gut überlegten, intelligenten Input / Prompt gibt. Die KI-Performance hängt also weitgehend von der Intelligenz ihrer menschlichen User ab. Und selbst dann können KI-Programme letztlich nur das verarbeiten, was sie im Netz finden.

So richtig „spinnen“ und fantasieren, träumen wie wir Menschen, können diese künstlichen Logiker (noch) nicht.

Der Prompt macht’s! – ChatGPT kann nicht „out of the box“ denken

Out of the box denken, können die Programme also (noch) nicht. Deshalb kann man mit ihrer Hilfe zwar durchaus Texte wie etwa für Posts zur Lead-Generierung / Neukundenakquisition, Standard-Mails / Mailings an Kunden etc. erstellen, die aufgrund der enthaltenen Stichworte und Formulierungen eine Vielzahl von potenziellen Kunden ansprechen. Dies gilt insbesondere dann, wenn gewisse gemeinsame, allgemeingültige Merkmale vorliegen – wie zum Beispiel

  • produzierende Unternehmen,
  • die mit Lieferproblemen und hohen Energiekosten kämpfen und/oder
  • aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels Probleme mit der Personalbeschaffung haben.

Schwierigkeiten bereitet es den Programmen jedoch, die im Netz gefundenen Inhalte sprachlich so zu verpacken, dass sie die Adressaten (aufgrund ihrer Funktion in der Organisation, also Werksleiter, Einkaufsleiter, Personalleiter etc.) auch emotional ansprechen – was im Marketing- und insbesondere im Vertriebsprozess wichtig ist.

Je allgemeingültiger die Ansprache potenzieller Kunden ist, desto eher kann KI helfen.

Bei der spezifischen Kunden und Gesprächspartner orientierten Zielkunden-Akquise und Auftragsgewinnung im B2B-Vertrieb verblassen die Möglichkeiten der KI-Programme, benötigen zumindest massive Eingriffe und Anpassungen durch den menschlichen Profiverkäufer.

Im B2B-Vertrieb kommt man mit „Allgemeinplätzen“ meist nicht weit

Wenn es also um die allgemeine Kundenansprache bzw. das „Flagge-zeigen-im-Markt“ geht, können diese Systeme durchaus hilfreiche Tools sein. Anders sieht es jedoch aus, wenn es im B2B-Vertrieb darum geht, den Kaufentscheidungsprozess im Buying-Center einzelner Kunden gezielt voranzutreiben. Hier ist es notwendig

  • in der (schriftlichen und mündlichen) Kommunikation auf den spezifischen Bedarf des jeweiligen Unternehmens sowie der Entscheider einzugehen und
  • den Zielkunden individuelle Problemlösungen zu skizzieren, die deren Ist-Situation und (Entwicklungs-)Ziele berücksichtigen.

Zu der Ist-Situation und den (Entwicklungs-)Zielen eines Kunden werden die KI-Programme vermutlich nur hinsichtlich großer Kunden im Netz fündig werden.
KMUs (kleine und mittelständische Unternehmen) sind hinsichtlich der Themen „Situation“ und „Ziele“ meist nicht besonders kommunikationsfreudig im Netz.

KI-Systeme sind nicht immer „intelligent“, aber leistungsfähig

Die generelle Stärke eines KI-Programms: Es kann die im Netz bereits vorhandenen, „alten“ Informationen strukturiert wiedergeben.

Es kann aber nicht intuitiv beurteilen, ob diese Informationen auch künftig noch relevant sein werden – weil zum Beispiel aktuell die Preise durch die Decke gehen oder/und sich die Kundenwünsche ändern – und es kann nicht darauf aufbauend etwas Neues entwickeln.

Deshalb empfiehlt sich bei allen von KI-Systemen vorgeschlagenen Problemlösungen eine Plausibilitäts-Prüfung. Denn „intelligent“ sind die KI-Systeme nur bedingt: sie sind leistungsfähig, weil von Menschen klug programmiert und gut trainiert. Auch das selbstlernende KI-System muss erst einmal von Menschen programmiert werden.

Gefahr: Lösungsvorschläge werden unreflektiert übernommen

Gerade, weil die KI-Programme so leistungsfähig und bei Aufgaben, die das Verarbeiten sehr vieler Daten erfordern, Menschen so haushoch überlegen sind, ruht meines Erachtens eine große Gefahr in der intensiven KI-Nutzung – nicht nur im Marketing- und Vertriebsbereich, sondern bei allen Prozessen, die letztlich eine Entscheidung des Menschen erfordern.

KI-Programme können einen dazu verleiten, unter persönlichem Arbeitsdruck die im Handumdrehen zumindest logisch klingende und zielführend erscheinende Lösungsvorschläge unreflektiert zu übernehmen:
Arbeitsüberlastung – IT-Hörigkeit / „ein Computer kann sich nicht irren“ – Bequemlichkeit – Abschieben der Verantwortung auf das vermeintlich fehlerhafte KI-Programm – das neue Thema, das einen im Moment überfordert usw. – können Ursachen für die fehlende Plausibilitäts-Prüfung sein.

Im B2B-Vertrieb gehen wichtige Skills verloren

Das kann dazu führen, dass die für den Vertrieb verantwortlichen Mitarbeiter und Führungskräfte gewisse Aufgaben, die zu ihrer Funktion gehören, nicht mehr oder nur noch bedingt wahrnehmen, wie etwa

  • das Be-denken gewisser Wechselwirkungen und Sachzwänge bei der Lösungsfindung,
  • das Durch-denken der Lösungsideen bezüglich ihrer Machbarkeit in einem bestimmten Unternehmensumfeld,
  • das Quer-denken, um mögliche alternative Problemlösungen zu erdecken.

Dies kann mit der Zeit dazu führen, dass gewisse intellektuelle Fähigkeiten verschwinden oder nicht mehr (weiter-)entwickelt werden, die man eigentlich im B2B-Vertrieb für eine professionelle Marktbearbeitung und ein systematisches Führen der Kunden zur gewünschten Kaufentscheidung bräuchte.

Dass bei einer intensiven Nutzung digitaler Tools, die durchaus wertvolle Hilfs-Mittel sind, oft auch wertvolle Skills verloren gehen, beobachte ich bei meinen Coachings immer wieder. So zum Beispiel, wenn ich mit jungen Vertriebs-Kollegen zu Kunden fahre. Funktioniert das Navi nicht oder wurden Daten nicht korrekt eingegeben, ist die persönliche Orientierung dahin.

Intellektuelle Abhängigkeit von den KI-Systemen vermeiden

Ebenso stelle ich in Verkaufstrainings immer wieder fest: Viele jüngere Verkäufer sind im Kopfrechnen nicht mehr fit, weil sie im Alltag Rechenaufgaben stets mit einem Taschenrechner lösen. Dabei ist diese Kompetenz zum Beispiel in Preisverhandlungen oft wichtig, beispielsweise um gedanklich zu überschlagen, welche Auswirkungen ein potenzieller Preisnachlass auf die Gewinnmarge hat.

Dass ein ähnlicher Verlust von Fähigkeiten auch mit einer intensiven Nutzung von KI-Programmen wie ChatGPT einhergehen könnte, darüber sollten Unternehmen zumindest nachdenken, um zu verhindern, dass ihre Marketing- und Vertriebsmitarbeiter von der künstlichen Intelligenz intellektuell abhängig werden und dadurch gar nicht mehr in der Lage sind zu beurteilen, ob die Lösungsvorschläge überhaupt zielführend sind.

Mit Augenmaß & Hirn KI-Systeme im B2B-Vertrieb selektiv und gezielt nutzen

Die vorangegangenen Ausführungen sollen kein Votum gegen eine Nutzung von ChatGPT & Co im Marketing- und Vertriebsprozess sein.

Im Gegenteil!

Auch wir von PETER SCHREIBER & PARTNER checken unter der Überschrift „Web-Aided-Selling / W.A.S.“ bereits seit Jahren, wie man das Internet und zum Beispiel Social Media als Teil des Internets für den Vertriebserfolg nutzen kann (ChannelPartner / 20.04.2017).

Aktuell tun wir dasselbe hinsichtlich der Möglichkeiten, die KI-Systeme zum Optimieren des Salesfunnel im B2B-Vertrieb bieten.

Dabei schält sich folgende Faustregel heraus:

Im Bereich Werbung bzw. wenn es primär darum geht,

  • die „Attention“ bzw. Aufmerksamkeit der Zielkunden zu wecken und
  • generell für die gewünschte Bekanntheit eines Unternehmens oder Produkts zu sorgen,

erweisen sich solche Tools wie ChatGPT als sehr hilfreich.

Je weiter der Verkaufs- bzw. Vertriebsprozess bezogen auf gewisse Kunden jedoch fortgeschritten ist, umso stärker ist der Verkäufer mit seiner Erfahrung, Marktkenntnis und emotionalen Intelligenz gefragt.

Mein werter Kollege Kai Pfersich, langjähriger, ausgewiesener Experte im Bankgeschäft, schrieb 2008 in seinem Buch „Neustart Bank. Vertrauen / Fachkompetenz / Fairness“ (ISBN 13: 9783865561824):

„Der Mensch muss wieder an Bedeutung gewinnen oder er verliert sie ganz.“

Ein bedenkenswerter Satz…

Weitere Informationen zum Profil von Peter Schreiber unter diesem Link.

Telefon +49 7062 9696-8
E-Mail sekretariat@schreiber-managementpartner.de

Peter Schreiber - Experte B2B-Vertrieb

Bildquelle: Alexander Limbach | stock.adobe.com

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