Vertriebsführung in Zeiten von Agil, VUCA, Vertrieb 4.0 & Co. – 7 Praxis-Tipps

Vertriebsführung in Zeiten von Agil, VUCA, Vertrieb 4.0 & Co. – 7 Praxis-Tipps

Agile Führung, VUCA, Vertrieb 4.0 – Allheilmittel oder Marketing-Kampagne geschäftstüchtiger Veranstalter, Medien und Berater? Diese und andere Schlagworte sind auf jeden Fall nützlich, um sich darauf zu besinnen, welches die Fundamente der Vertriebsführung im B2B-Vertrieb – auch im digitalen Zeitalter – sind.

Dazu 7 Praxis-Tipps:

1. Das Rollenverständnis der Vertriebs-Führungskraft

Der Vertriebsführungs-Job ist dann gut erledigt, wenn die Vertriebsmitarbeiter ihre Vertriebschefin / ihren Vertriebschef nicht mehr brauchen. Das heißt, die Vertriebsmannschaft, sowohl Innendienst als auch Aussendienst, ist als Team so gut motiviert und so gut organisiert, dass sie das Richtige richtig tut:

„Meine Vertriebsmannschaft braucht mich nicht mehr!“

ist das Ziel einer Vertriebsführungs-Persönlichkeit.

Die falsche Einstellung: „Ohne mich geht gar nichts! Ich muss ständig erreichbar sein! Meine Vertriebsmannschaft braucht mich…“.
Die Zauberformel: Loslassen können!

2. Zuerst richtet die Vertriebsführungskraft sich selbst dann die Vertriebsmannschaft aus

Dazu braucht die Vertriebsführungskraft…

  • …einen Plan mit Weitsicht, basierend – im Rahmen der Unternehmens-Vision und -Strategie – auf einer eigenen persönlicher Zielsetzung, wo man in den nächsten Jahren mit der Vertriebsorganisation stehen möchte:
    Das heißt, für sich und die Vertriebsmannschaft nicht nur einen langweiligen Excel-Friedhof, genannt Sales-Plan / Umsatz-Plan, sondern einen inspirierenden Selling-Plan / Umsetzungs-Plan mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen in der Struktur einer Vertriebs-Balanced-Scorecard zu haben;
  • …eine hohe Eigenmotivation und dauerhafte Lust auf Menschen-Führung:
    Nur wer selber brennt, kann andere entzünden…!
    Wer die Führungsverantwortung annimmt, nur um Anerkennung im sozialen Umfeld einzuheimsen und nur um mehr Geld sowie Status-Symbole und Annehmlichkeiten zu bekommen, wird über kurz oder lang scheitern;
  • …eine hohe Selbst-Disziplin, um als Führungspersönlichkeit – auch wenn der Wind einem im Markt rau ins Gesicht bläst – motivierendes Vorbild zu sein, die Werte vorzuleben und authentisch zu sein:
    Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen…!

3. Agile Führung leben und – wo möglich – agile Teams schaffen

Agil bedeutet beweglich, nicht stur nach Schema „F“. Agile Führung muss heute wie eh und je beweglich im Denken und Handeln sein. Schon Eisenhower wusste „Pläne sind nichts, Planung ist alles“. Und jede erfahrene Vertriebsführungskraft weiß „Eines ist sicher: Nichts ist sicher!“

Also ist man mit einem Plan „B“, mit einem gut bestückten Werkzeugkoffer an Handlungsoptionen sowie mit einer ausgeprägten Methoden-Kompetenz gut beraten. Vertriebsführungs-Persönlichkeiten verlassen sich nicht nur auf ihre vergangenheitsorientierte Erfahrung oder auf Fachwissen, das in heutigen Zeiten eh eine kurze Halbwertszeit hat, sondern sie verlassen sich auf ihre Kompetenz, wie man an bekannte und vor allem an neue, oft unvorhergesehene Aufgabenstellungen herangeht (Methoden-Kompetenz).

Die Führung von Vertriebsmitarbeitern erfordert seit eh und je „Beweglichkeit“, da das Spektrum der Charaktere im Innendienst und Außendienst sowie das Spektrum der Vorgehensweisen in den Märkten und bei Kunden sehr vielfältig und komplex sind. Diese notwendige „Beweglichkeit“ im Denken und Handeln ist in unserer von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUCA Welt mehr denn je gefordert.

Wer als Vertriebsführungskraft in seiner sozialen Kompetenz wenig beweglich, wenig agil ist, wird sich schwer tun, seine Mitarbeiter/innen abzuholen und mitzunehmen. Nicht neu, jedoch bewährt ist deshalb die Methode des situativen Führens: Je nach Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter stehen im Führungsverhalten der Vertriebsführungskraft die Zielorientierung (ZO) oder/und die Mitarbeiterorientierung (MO) im Vordergrund…

Ein agiles Sales-Team – selbst beweglich im Denken und Handeln – war, ist und wird immer wünschenswert sein. Erste Voraussetzung ist bei allen Mitgliedern des agilen Teams Offenheit gegenüber „allem und jedem“ bei gleichzeitiger Kreativität und Flexibilität. Den PDCA-Prozess (Plan – Do – Check – Act) als Team selbständig umzusetzen ist in kleineren Experten-Teams überschaubarer KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) leichter zu realisieren als in großen Abteilungen komplexer Konzerne. Als Rahmenbedingungen sind ein gewisser Reifegrad an Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter sowie – je nach Verantwortungsbereich des Teams – weitestgehender Zugang zu firmeninternen, abteilungsübergreifenden Informationen sowie zu Markt- und Kundendaten, zu geplanten Innovationen u.a.m. notwendig.

Situatives Führen - Vertriebsführung

4. VUCA – …bei sich selbst und allen anderen das Bewusstsein dafür schaffen

Bereits in den 1990er Jahren entstand aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen nach dem „Kalten Krieg“ in einer amerikanischen Militärhochschule der Begriff VUCA: Volatilität – Unsicherheit – Complexität – Ambiguität (Mehrdeutigkeit).

Um es mit meinem schwäbischen Landsmann Albert Einstein zu sagen: Alles ist relativ. Auch diese 4 Eigenschaften. Vermutlich empfanden unsere Großeltern schon die Zeit, in denen ihre erwachsenen Kinder – unsere heutigen Eltern – agierten, hoch veränderlich, unsicher, komplex und mehrdeutig/vielschichtig.

Ist VUCA also eine Frage des Betrachters…?

Die Kunst besteht darin, sich diesen 4 VUCA-Eigenschaften bewusst zu sein und mit diesen Zuständen proaktiv umgehen zu können.

Was gestern richtig war, kann morgen aufgrund veränderter Verhältnisse kontraproduktiv sein. An den gestern getroffenen Entscheidungen aus Eitelkeit und mangelnder Einsichtigkeit unbedacht festzuhalten ist keine Führungsqualität. Agilität, Methoden-Kompetenz und Kreativität sind gefragt, um die neuen, veränderten Herausforderungen zu meistern. Genauso falsch wäre jedoch auch die unbedachte, opportunistische Veränderung, nur um zu verändern und Beweglichkeit beweisen zu wollen.

Die Unsicherheit wirkt weniger bedrohlich, wenn man mehrere Handlungsoptionen kennt.

Also gilt es eine höhere Lösungssicherheit zu bekommen, indem man alternative Vorgehensweisen entwickelt und dann parat hat.

Dabei sind die Dinge wie ein Mobile miteinander verquickt und es ist deshalb notwendig, komplexe Situationen unter verschiedenen Blickwinkeln – am besten im Team – zu analysieren, zu bewerten und daraus mehrere Handlungsoptionen für das weitere Prozedere zu erarbeiten: Erkenntnisse – Schlussfolgerungen – (neue) Ziele und Maßnahmen.

Beim Treffen der Entscheidungen hinsichtlich der Ziele und Maßnahmen gilt aufgrund Veränderlichkeit, Unsicherheit und Komplexität das ambivalente „Sowohl-Als-Auch“. Dieses Bewusstsein ist nicht bei allen Führungskräften und Mitarbeitern vorhanden, da sie seit je her das einfachere, binäre „Entweder-Oder“ pflegen.

5. Vertrieb 4.0 Kunden, Gesprächspartner und Markt orientiert nutzen

Die 1.0- bis -4.0-Konzepte im Vertrieb kamen nach den Konzepten in der Produktion, was zu dem Missverständnis führen kann, dass im Vertrieb genauso wie bei der industriellen Fertigung nahezu alle Prozesse standardisiert und damit zur Effizienzsteigerung programmiert und automatisiert werden könnten. Im Vertrieb – insbesondere im B2B-Vertrieb – haben wir es jedoch nicht mit berechenbaren Maschinen und Werkstoffen zu tun.

„Menschen kaufen bei Menschen.“

Nicht die Kundenunternehmen, nicht die Gesprächspartner aus den User-Abteilungen sowie aus dem Einkauf der Kunden und auch nicht die Märkte richten sich nach dem programmierten, automatisierten Vertriebsprozess, sondern umgekehrt.

Die Besonderheiten des B2B-Vertriebs sowie Agilität / Beweglichkeit und die VUCA-Aspekte erfordern einen Vertrieb 4.0 mit Augenmaß. Differenziert eingesetzt unterstützen Vertrieb4.0-Maßnahmen und -Tools an vielen Stellen sowohl die Kundenorientierung des Unternehmens als auch die Vertriebsarbeit aller Vertriebsmitarbeiter.

Hier eine erste Übersicht für ein W.A.S.© – „web-aided-selling“ – im B2B-Vertrieb…

Web aided selling - Vertriebsführung

6. Mehr coachen beim Führen

Das Leadership alter Schule baut oft noch auf Entscheiden und dann Anweisen. Heute wissen wir, wo es das (Markt-)Umfeld, die (organisatorischen) Strukturen sowie der Reifegrade der Menschen möglich machen (sowohl der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter), sind die Arbeitsergebnisse besser, wenn die Motivation durch Integration in den Entscheidungsprozess und das verantwortungsvolle Mitdenken durch Integration in den Lösungsprozess gefördert werden. Für moderne Führungskräfte heißt das:

  • Coachen – Hilfe zur Selbsthilfe geben, damit das agile Vertriebsteam – zumindest im operativen Tagesgeschäft – möglichst bald ohne die Vertriebsführungskraft auskommt;
  • Dabei an unseren griechischen Freund Sokrates denken: Wer fragt, führt die Menschen zur Selbsterkenntnis (469 bis 399 vor Christus). Das heißt, mehr strukturiert zielführende Fragen stellen und das Abwägen der Lösungsvorschläge moderieren;
  • Weniger „alleine“ (vor-)entscheiden, mehr Entscheidungen herbeiführen!

7. Die Praxis-Tools der Vertriebsführung überprüfen und modernisieren

Die Konsequenz aus den vorstehend genannten 6 Tipps ist das Überprüfen und Modernisieren der Führungstools im B2B-Vertrieb.

Hier eine erste Checkliste, die individuell zu ergänzen ist…

  • Ist der Sales-Plan / Umsatz-Plan bereits zum Selling-Plan / Umsetzungs-Plan weiterentwickelt? Entsprechen Struktur, Inhalte, Prozedere des Selling-Plan den zukünftigen Anforderungen?
  • Das Vertriebs-Controlling ist kein Ergebnis orientiertes, retrospektives „Kontrollier“-Instrument, um Low-Performer und Schuldige zu identifizieren. Ist das Vertriebs-Controlling bereits ein Prozess orientiertes, prospektives Monitoring und Steuerungs-Instrument, um motivierend die gemeinsame Zielerreichung sicherzustellen?
  • Vertriebs-Meetings sind keine langweiligen, protokollierten Veranstaltungen mit der Vertriebsführungskraft als Alleinunterhalter: Sind sie heute schon proaktive Vertriebs-Workshops mit vorbereitender Einladungs-Agenda, „case based“ Kurz-Workshops zu aktuellen Verkaufs- und Fachthemen sowie einer konstruktiven ToDo-Liste, interaktiv gestaltet vom Team?
  • Gemeinsame Kundenbesuche sind keine Mitarbeiter-Kontrollen oder finden nur bei notwendigem Trouble-Shooting statt, sondern werden gezielt eingeplant, um Marktanforderungen und Kundenverhalten immer wieder zu analysieren, das Wissen im Team zu managen (was macht die/der Kollegin/e gut, was den anderen vermittelt werden muss) sowie die Mitarbeiter motivierend und erfolgreich zu coachen?
  • Verkaufs-Schulungen dienen nicht nur dazu Produkte zu schulen, Fachwissen zu vermitteln und/oder Standard-Bausteine der Verkaufstechnik in Erinnerung zu rufen: Sind sie bereits interaktive Vertriebs-Workshops, von professionellen Trainern mit persönlicher Vertriebserfahrung gestaltet, in denen „case based“ anhand aktueller Praxis-Fälle aus dem Kreis der Vertriebsmitarbeiter ganz konkrete und pragmatische Vorgehensweisen erarbeitet und trainiert werden? Zum Beispiel zur Neukundengewinnung, zur Gewinnung eines Zielkunden, zur Wettbewerberverdrängung, zu Cross-Selling / Ausbau eines Bestandskunden oder auch zu einer anstehenden Preisverhandlung / Preiserhöhung bei einem wichtigen (potenziellen) Kunden etc.?
    Machen und daraus lernen, statt lernen und dann (eventuell) machen…!

Noch eine Frage…

Wann haben Sie für sich selbst und für Ihr Führungsteam das letzte Mal ein Time-Out genommen, …

  • …um die Führungsprozesse, das Führungsverhalten und die Ausrichtung Ihrer Vertriebsorganisation zu reflektieren?
  • …um mit einem unabhängigen, vertriebs- und führungserfahrenen Moderator im eigenen Führungsteam die Erfahrungen und Ideen auszutauschen?
  • …um mit einem nicht betriebsblinden Moderator alternative Aspekte zu beleuchten und neue Impulse aufzunehmen?

Die Praxis zeigt: Solche den Vertrieb optimierenden Time-Outs gönnen sich Führungskräfte im Vertrieb selten, obwohl sie im Mitarbeiter-Gespräch ein selbstreflektierendes Verhalten und kontinuierliches Lernen propagieren.

TOP CONSULTANT - PETER SCHREIBERPeter Schreiber

Managementberater, Business-Coach und Vertriebstrainer für B2B-Vertriebsorganisationen. Inhaber der Unternehmensberatung PETER SCHREIBER & PARTNER. Als Dozent ist er u.a. tätig beim ZfU Zentrum für Unternehmungsführung in Thalwil / ZH (Schweiz) sowie als Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen. U.a. ist er Autor des Buches „Das Beuteraster“, Orell Füssli Verlag, ISBN 3-280-02663-6. Mit dem Auge für das Machbare verknüpft er für seine Kunden ideal Wissenschaft und Praxis.

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Bildmaterial: ©savoieleysse – Adobe Stock #192886289

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